Die Zahl der Menschen in Deutschland, die auf aktive medizinische Implantate wie Herzschrittma-cher oder Defibrillatoren angewiesen sind, steigt stetig. Dies ist die Folge der verbesserten diagnos-tischen Möglichkeiten und der damit ständig wachsenden Indikationsstellungen in der Medizin. Zudem wächst unabhängig davon aufgrund der insgesamt steigenden Lebenserwartung die Patien-tengruppe mit neu auftretenden Krebserkrankungen. Bei den in der Krebstherapie angewandten modernen Diagnose- und Therapieverfahren wird ionisierende Strahlung appliziert. Die ionisieren-de Strahlung kann in aktiven Implantaten wie Herzschrittmachern und Defibrillatoren Fehlfunktio-nen auslösen und damit für den Patienten ein gravierendes Sicherheitsrisiko darstellen. Auf die enorme Bedeutung der Thematik macht auch die gemeinsame Richtlinie der Deutschen Gesell-schaft für Radioonkologie (DEGRO) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) „Guide-line for radiotherapy in patients with cardiac implantable electronic devices” [1] aufmerksam: Das Risiko wird hier zum einen nach der Abhängigkeit des Patienten vom Implantat und zum anderen nach dem Abstand des Implantats von der Tumorlokalisation und der hierdurch abgeschätzten Do-sis unterteilt. Die Dosis am Implantat wird vor der Bestrahlung durch das Bestrahlungsplanungssys-tem mit Hilfe von Dosisberechnungs-Algorithmen bestimmt. Diese Algorithmen haben sich als ro-bust in der Dosis-Vorhersage im Tumor und in Risikoorganen, die im Strahlengang liegen, erwiesen. Eine exakte Dosisermittlung im Streustrahlenbereich, d. h. der Bereich der nicht im Strahlengang liegt, ist durch die Algorithmen jedoch nicht zu erwarten.
Um die Dosis am Implantat messen zu können, kommen verschiedene Detektoren zum Einsatz wie z. B. Gafchromic Filme, Thermolumineszenzdetektoren oder verschiedene Ionisationskammern.
Die meisten Detektoren sind für den Einsatz im direkten Strahlengang kalibriert sodass Messungen im Streubereich aufgrund des weicheren Energiespektrums, keine verlässlichen Ergebnisse liefern. Da die Energie im Streustrahlenbereich weitestgehend unbekannt ist, muss diese zunächst mit Hilfe von Simulationen bestimmt werden. Um schließlich Messungen im Streubereich durchführen zu können, müssen Kalibrierungen in diesem Energiebereich vorgenommen oder auf Detektoren zurückgegriffen werden, die in anderen Bereichen mit einem weicheren Energiespektrum wie z. B. in der Radiologie oder Nuklearmedizin zum Einsatz kommen.
Im Rahmen einer Studie wurden am Universitätsklinikum Regensburg die Messungen von 57 Be-strahlungsplänen im Streubereich am Patienten ausgewertet. Zur Messung wurden Halbleiterdio-den verwendet, die sehr häufig zur in-vivo Dosimetrie eingesetzt werden. Um die Dosis zu messen, wurden die Dioden über dem Implantat, auf der Haut des Patienten angebracht. Beim Vergleich zwischen der Messung und der im Bestrahlungsplanungssystem zuvor kalkulierten Dosis, zeigten sich im Mittel eine Abweichung von 67,6 % [2]. Dies zeigt, wie groß die Ungenauigkeit bei der Be-stimmung der Dosis am Implantat sein kann.
Ziel des Promotionsprojektes ist es, eine geeignete Messmethodik für die Dosimetrie im Streustrahlenbereich zu ermitteln, um die Dosis am Implantat mit möglichst wenig Abweichungen und Unsicherheiten bestimmen zu können. Des Weiteren wird für verschiedene Tumorlokalisatio-nen eine Planstudie durchgeführt, um die Streustrahlendosis am Implantat bereits bei der Planung weitestgehend zu verringern. Fehlfunktionen des Implantats bei Patienten sollen damit vermieden werden.
[1] B. Gauter-Fleckenstein, C. W. Isreal, M. Dorenkamp, et al. (2015): DEGRO/DKG Guideline for radiotherapy in patients with cardiac implantable electronic devices. Strahlenther Onkol 191 (2015): 393-404.
[2] F. Steger et al. (2019): Radiotherapy of patients with cardiac implantable electronic devices ac-cording to the DEGRO/DGK guideline—is the risk of relevant errors overestimated? Strahlenther Onkol 195 (2019): 1086-1093